Expert*innen im Gespräch
Herr Prof. Wolff: Wie werden Gebäude zukünftig zur Energiewende beitragen?
Neubauten und modernisierte Bestandsgebäude werden umfassend mit Photovoltaik kombiniert – mit oder ohne eigenen Batteriespeicher – und der Solarstrom wird überwiegend selbst genutzt. Es werden zukünftig fast ausschließlich Wärmepumpen eingesetzt. Denn bereits heute sind etwa 75 % aller Gebäude im Bestand ohne weitere Maßnahmen wärmepumpentauglich. Batteriespeicher von E-Autos können bidirektional sowohl für Haushalts- und Wärmepumpenstrom als auch für die Netzstabilisierung durch den Energieversorger genutzt werden.

Prof. Dr.-Ing. Dieter Wolff
Wie kann der Gebäudebestand darauf vorbereitet werden?
Mit den Ergebnissen unserer Studien und Gutachten für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt DBU und für den Deutschen Bundestag, zusammengefasst in TGA+E-Fachplaner 07/22, kommen wir zu Empfehlungen für die nacheinander durchzuführenden Aktivitäten und Schritte:
- Ein erster Schritt mit geringstem Investitionsbedarf macht immer Sinn: jeden Monat, v.a. in der beginnenden Heizperiode, die Gasuhr, den Heizöltankstand oder den Wärmemengenzähler einer Fernwärmeübergabestation regelmäßig ablesen. Noch besser wäre, wir würden gleich einen Wärmemengenzähler für die Wärmeabgabe des vorhandenen, meist fossilen Wärmeerzeugers, einbauen. Mit einer daraus folgenden „Energieanalyse aus dem Verbrauch – EAV“ lassen sich alle notwendigen Plandaten für eine zukünftig einzubauende Wärmepumpe ablesen. Die wichtigsten Kennwerte aus der EAV sind der sogenannte h-Wert in W/(m²K) als „Fingerabdruck des Gebäudes und seiner Nutzung“, die Wärmeerzeugereffizienz und der Aufwand für Trinkwarmwasser.
- Bereits vor Einbau einer Heizwärmepumpe könnten als nächste Schritte der Einbau von PV-Flächen auf dem Dach und einer autarken Trinkwarmwasserwärmepumpe in Angriff genommen werden. Investitionskosten für PV zunächst ohne gesonderten Batteriespeicher: ca. 8.000 – 15.000 Euro und für die Trinkwarmwasserwärmepumpe ca. 3.000 – 4.000 Euro.
- Wenn sich Handwerker- und Wärmepumpenmarkt in den nächsten zwei bis vier Jahren einigermaßen beruhigt haben, sollte der Einbau einer Heizwärmepumpe in Angriff genommen werden. Der mit der EAV über längere Zeit ermittelte h-Wert liefert dann die wertvollste Planungsgrundlage für die Auslegung der Heizwärmepumpe. Investitionskosten je nach Wärmequelle Außenluft oder Erdreich zwischen: 8.000 – 25.000 Euro.
- Mit Einbau der Wärmepumpe und auch erst dann, sollten Heizungsoptimierung und hydraulischer Abgleich mit raumweiser Erfassung der vorhandenen Heizflächen und Raumheizlasten, Anpassung der Vorlauftemperaturheizkurve, Einbau voreinstellbarer Thermostatventile und Einstellung einer Regelpumpe vorgenommen werden. Evtl. sind einzelne Heizkörper auszutauschen, um optimale Bedingungen für die Wärmepumpe zu erreichen. Denn: Die Wärmepumpe arbeitet umso effizienter, je niedriger die Heizwassertemperaturen sind. Und das kann auch sehr gut mit einfachen Plattenheizkörpern erreicht werden. Eine Fußbodenheizung ist dafür nicht erforderlich.
- Auch ein großer Pufferspeicher, der in vielen derzeitigen Angeboten von Wärmepumpenherstellern als notwendig angesehen wird, sollte – wenn überhaupt erforderlich – mit sehr viel Sorgfalt ausgewählt werden. Bereits heute und mit fortschreitender Technologie noch sehr viel stärker werden sich modulierende Wärmepumpen durchsetzen, wie sie heute bereits bei Gasbrennwertkesseln Standard sind. Ein kleiner, in Serie zur Wärmepumpe geschalteter Speicher zur Vergrößerung des Anlagenvolumens könnte dann für Unterbrechungszeiten des Stromversorgers und zum Abtauen des Verdampfers von Luft-Wasser-Wärmepumpen ausreichend sein.
Zur Person:
Prof. Dr.-Ing. Dieter Wolff
Jahrgang 1952; Studium der Chemietechnik (Abschluss 1976) und Promotion (1980) am Lehrstuhl für Anlagentechnik der Universität Dortmund zum Thema „Latentwärmespeicherung“; von 1980 bis 1987 als Entwicklungsingenieur, ab 1983 als Entwicklungsleiter „Sonderentwicklung“ bei Fa. Honeywell-Centra, vormals Centra-Bürkle; seit 1987 Professor an der FH BS/WF im Fachbereich Versorgungstechnik, zwei Jahre (1993 – 1995) Dekan; Initiator des „Praxissemesters“ als Praxissemesterbeauftragter 1991; Mitglied im Vorstand des Instituts für Heizungs- und Klimatechnik; Gründer und Mitglied im Vorstand des TWW e. V. seit 1995; Mitarbeiter in verschiedenen VDI-Richtlinien und DIN-Ausschüssen; Träger der VDI-Ehrenplakette (1993).